Ein Brandbrief zur berühmtesten Fleischsauce Italiens – dem Ragù bolognese


Ein Artikel revolutioniert das                Ragù-Bolognese – auch in Deutschland ?

Pasta und basta !


In der Süddeutschen Zeitung war am 13. Juni 2023 zu lesen, dass in Italien das offizielle Rezept für Bolognese-Soße erstmals nach 40 Jahren geändert wurde :

 

Die Bolognese-Soße, oder besser ragù bolognese teilt ein ähnliches Schicksal wie der Song »Yesterday« von den Beatles: weltweit bekannt und beliebt, tausendfach durchgenudelt und neu interpretiert und dabei leider mehr als oft grausam verschandelt. Ebenso ergeht es der berühmten Tomaten-Hackfleisch-Soße mit fürchterlichen Coverversionen mit Sahne, Curry und Zimt, mit Ketchup oder sogar mit Instant-Kaffeepulver, der dem Gericht laut der Fitnesszeitschrift »Fit vor fun« angeblich »geschmackliche Tiefe« verleihen soll. Andere Hackfleisch-Life-Hacks bringen Schokolade, Koriander und gegrillte Paprika, (selbst auch Ajwar, Whisky und Ingwer,  – alle Rezepte »Kochbar.de« • Anm. der F.K.)  ins Spiel, um das Gericht »aufzupeppen«.

Spaghetti Bolognese mit Kaffee und Koriander? Italienische Feinschmecker bekommen allein von der Vorstellung, so etwas Seltsames essen zu müssen, eine mittelschwere Magenverstimmung. Spaghetti würde man in Italien sowieso nie mit Hackfleisch-Tomaten-Soße servieren. Ragù, wie die Fleischsoße im Original heißt, isst man mit Tagliatelle oder Fettuccine, also langen, flachen Eierbandnudeln, die stückige Soßen besser aufnehmen. Rosmarin, Oregano und Chili als Gewürze? Mamma mia! Bloß nicht! Selbst die Verwendung von Knoblauch im Ragù alla Bolognese ist umstritten. Nun wurde das offizielle Rezept für den Klassiker zum ersten Mal seit 40 Jahren geändert – auf die Gefahr hin, dass die Gemüter hochkochen.

 

Essen ist in Italien so wichtig für die Kultur und das Selbstverständnis der Menschen, dass die Haltung zu vielen Rezepten recht orthodox ausfällt. Spaghetti Cacio e Pepe mit Parmesan ? Pfui, dazu gehört Pecorino. Pasta mit Lachs und Käse? Geht gar nicht. Carbonara mit Sahne ? Todsünde ! Risotto milanese ohne Rindermark ? – Oh je, oh je …

Über die Reinheit der Rezepte wacht in Italien eine staatliche Instanz, die Accademia Italiana della Cucina, die es sich nach eigenen Angaben zum Ziel gesetzt hat, »die Traditionen der italienischen Küche und Tischkultur zu bewahren und an die folgenden Generationen weiterzugeben«. Fast 3000 Rezepte original-italienischer Gerichte sind dort gelistet, von A wie Abbacchio al forno bis Z wie Zuppa Valpellinese.

 

Auch das offizielle Rezept für Ragù classico Bolognese findet sich in dem Koch-Kanon. Es wurde im Jahr 1982 notariell beglaubigt und bei der Handelskammer von Bologna hinterlegt, seitdem blieb es unverändert. Nun hat die Akademie es leicht an den Zeitgeist angepasst.

»In 40 Jahren hat sich die Küche verändert, und was damals gut war, entspricht vielleicht nicht mehr dem Geschmack von heute«, erklärt Roberto Ariani, Generalsekretär der Akademie. Für die Gastronomie in Bologna sei dies »ein historischer Tag«.

Um das Gericht zu modernisieren, hat der Studienausschuss der Akademie mehr als 50 Rezepte von Gastronomen und Familien gesammelt und analysiert. Dennoch hieß es bei der Vorstellung: »Es gibt wohl einige Dinge, die Traditionalisten entsetzen werden.«

 

So der Tenor in der SZ, in dem der Autor Titus Arnu herrlich vom Leder gezogen hat. – Bravo, das ist alles richtig,  zutreffend und plausibel, und es gibt mir einiges zum nachdenken.

 

Denn ich frage mich schon lange Zeit, warum wird ein allseits bekannter Klassiker besonders in Deutschland immer und immer wieder so schauerlich verhunzt. Was da alles unter dem Begriff »Bolognese« in Deutschland völlig respektlos verkocht wird, geht auf keine Kuhhaut.

Das Ragù bolognese ist sicher nur die Spitze des Eisbergs unter den verkochten Absurditäten der Koch-Banausen-Küche in Deutschland. (Ebenso ergeht es übrigens auch dem bekannten ›Königsberger Klops‹ in der deutschen Küche.) – Ich habe nicht die geringste Ahnung. Vielleicht, das wir Deutschen im Gegensatz zu den Italienern eh auf unserer Kochtraditionen pfeifen, sofern überhaupt verhanden. Oder aber liegt es daran, dass uns die Lebensmittelbranche immer mehr verdummt und wir medial hinsichtlich des Kochens und der Tischkultur immer mehr verblödet werden? – Ich weis es nicht. Vielleicht will man sich aber nur profilieren? Oder ist es falsch verstandene Crossover Küche, die Eckart Witzigmann perfektioniert vollendet hat und jetzt von vielen mehr schlecht als recht Zutaten willkürlich zusammengepappt werden? Doch es krümelt wohl keiner Qinoa über die traditionelle Weihnachtsgans, nur weil Quinoa »in« ist. – Aber vielleicht kommt das auch noch, man weiß ja nie. – What was yesterday is not tomorrow.

 

Es wäre begrüßenswert, wenn es in Deutschland auch solch eine Institution wie die Accademia Italiana della Cucina in Italien gäbe. Sozusagen eine Deutsche Akademie der Küche, die deutsche Kochtraditionen hochhält. – Nur, wer will sich schon öffentlich zum Don Quichotte machen und wer hört hier darauf ?


Alle Zutaten für ein Ragù classico Bolognese
Alle Zutaten für ein Ragù classico Bolognese

REZEPT

Ragù classico bolognese – Das Original

Rezept für 6 personen


übersetzung aus dem italienischen                                                                          nach dem autorisierten rezept der Accademia italiana della cucina


Zutaten

400 g Grobes Rinderhackfleisch
150 g In Scheiben geschnittener frischer Schweinebauch (frischer Pancetta; d. Übers.)
½ Zwiebel : ca. 60 g
1 Karotte : ca. 60 g
1 Stange Sellerie : ca. 60 g
1 Glas Rot- oder Weißwein (das sind ca. 200 – 250 ml; Anm. d. Feinen Küche))
200 g Tomatenpüree (passata)
1 EL Doppelt konzentriertes Tomatenmark
1 Glas Vollmilch (optional) (das sind ca. 200 – 250 ml; Anm. d. Feinen Küche))
  Helle Fleisch- oder Gemüsebrühe (auch Brühwürfel bester Qualität sind erlaubt!)
3 EL Extra natives Olivenöl
  Salz und Pfeffer

Bildergalerie der Vorbereitung der Zuaten

Von links : Messergehackter Schweinebauch und messergehacktes Schulterfilet vom Rind ● gehackte Karotte, Stangensellerie und Zwiebel


Zubereitung

1. In einem Topf oder hohen Pfanne (von ausgezeichneter schwerer Qualität) mit Antihaftbeschichtung oder aus Aluminium oder emailliertem Gusseisen (früher war Steingut weit verbreitet) mit einem Durchmesser von 24 bis 26 cm den gewolften oder gehackten Speck in 3 Esslöffeln Öl schmelzen.

 

2. Dann die Gemüse auf dem Schneidebrett fein hacken (nicht den Mixer verwenden) und die Mischung bei mittlerer Hitze im Speck-Ansatz langsam trocknen lassen, dabei immer mit einem Holzlöffel umrühren (die Zwiebel darf auf keinen Fall verbrannt schmecken).

 

3. Jetzt die Hitze erhöhen, das Hackfleisch hinzufügen und dieses unter stetig sorgfältigem Mischen etwa zehn Minuten lang braten, bis es »brutzelt«.

 

4. Dann den Wein eingießen und ihn verdampfen lassen, so das er vollständig abzieht und Wein nicht mehr zu riechen ist.

 

5. Nachdem der Wein verdampft ist, das Tomaten-Konzentrat und das Püree hinzu geben. Unter ständigem Rühren eine Tasse kochende Brühe aufgießen (man kann aber zum ersten Angießen auch einfach Wasser verwenden) und bei geschlossenem Topf (Pfanne) etwa 2 Stunden (je nach Vorliebe und verwendetem Fleisch sogar 3 Stunden) langsam köcheln lassen, dabei immer wieder heiße Brühe zugeben.

 

6. Nach einer empfehlenswerten alten Tradition kann nach der Hälfte der Garzeit die Milch hinzugefügt werden, die vollständig reduziert werden muss. Abschließend nach dem Garen mit Salz und Pfeffer würzen.

 

7. Das Ragù muss letztlich eine schöne dunkelorange Farbe haben, umhüllend und cremig sein.

 


Bildergalerie der Zubereitung

Bilder von links in Leserichtung entsprechend der Zubereitungspunke 16


Zulässige varianten :

1. Gemischte Fleischsorten: Rind (ca. 60 %) und Schweinefleisch (ca. 40 %) (Lende oder Capocollo)
2. Messerhackfleisch
3. Gerollter Schweinefleischspeck anstelle von frischem Speck
4. Zugabe von frisch geriebener Muskatnuss

 

Nicht Zulässige varianten :

1. Kalbsbrät

2. Geräucherter Speck

3. Nur Schweinefleisch

4. Knoblauch, Rosmarin, Petersilie, andere Aromen oder Gewürze

5. Brandy (als Ersatz für Wein)

6. Mehl (zum Andicken)

 

Das BOLOGNESER RAGÙ KANN ANGEREICHERT WERDEN MIT :

1. Hühnerleber, -herzen und Huhn

2. Enthäutete und zerbröckelte Schweinswurst (Salsiccia; d. Über.)

3. Gekochte Erbsen, die am Ende des Garvorgangs hinzugefügt werden

4. Eingeweichte getrocknete Steinpilze.

Am 20. April 2023 hinterlegte die Accademia Italiana della Cucina das erneuerte Rezept für das echte Ragù alla Bolognese bei der Handelskammer von Bologna, dessen Referenztext sich im Vergleich zu dem am 17. Oktober 1982 hinterlegten somit ändert.

 

NOTIZ: Traditionell wurde in Bologna die »Cartella« verwendet, also das Zwerchfell des Rindfleisches, das heute nur noch schwer zu haben ist. In Abwesenheit oder zusätzlich sind die kollagenreichen Vorderabschnitte wie der Muskel, die Schulter, die Unterschulter, der Bauch und die Brust vorzuziehen. Es können Mischungen hergestellt werden. Nach einer modernen Verfahrenstechnik wird das Fleisch einzeln und nach und nach gut angebraten und anschließend mit den bereits angebratenen Gemüse vermischt.

 

Ende der Übersetzung


Fertiges Ragù classico Bolognese
Fertiges Ragù classico Bolognese

Fazit der feinen Küche

Die Veränderungen sind überaus verständlich und notwendig. Erstens bekommt man auch bei einem breit aufgestellten Fleischer kaum noch ad hoc das Zwerchfell vom Rind zu kaufen. Da muss die gut durchwachsene Schulter  oder das Schulterfilet herhalten. Zweitens ist heute das Ansinnen, eine gute Rinderbrühe zu kochen, mit schon einem herheblichen Kostenaufwand verbunden, der bei der Verwendung von Beinscheiben, Rinderbrust und Markknochen weit das Doppelte der Gesamtkosten des Ragù bolognese betragen. Das ist jetzt einfacher und unkomplizierter. Letztlich drittens geben jetzt die aufgezeigten erlaubten Variationen des modernisierten Rezeptes der Kochphantasie viel Freiraum. Man kann leicht über 50 verschiedene subtile Geschmacksvarianten kreieren, ohne das traditionale Ragù zu verfälschen.

Deshalb einfach genau so kochen, wie hier von der Academia im Grundrezept beschrieben. Dazu brauch man wahrlich weder Koch noch Köchkünstler sein Das Ragù schmeckt ohne jeden anderen Schnickschnack als Zutat hervorragend. Es geht einfach nicht besser zumachen ! – Letztlich serviert man das Ragù schließlich mit Tagliatelle oder Fettuccine und kann mit guten Gewissens sagen:

Das ist eine authentische, originale PASTA BOLOGNESE – perfettamente realizzato !

 

GANZ ZUM SCHLUSS NOCH EINE KURZE INFO :

Zur Zubereitung benötigt man mind. vier Stunden incl. aller Vorbereitungen. Bei 3 Stunden Kochzeit wird für das Ragù etwa ein Liter gute Brühe benötigt. – Mit frisch zubereiteten Tagliatelle (siehe REZEPT UND ZUBEREITUNG hier im Blog) ist alles in Summa ein tolles Schmeckerchen, was allemal seinen Aufwand wert ist !


Ragù classico Bolognese con tagliatelle fresche
Ragù classico Bolognese con tagliatelle fresche

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